Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 30.10.2014
Windenergie, Flugzeugbau, Logistik

Wie die Industrie des Nordens zu neuem Wachstum kommt

Studie fordert Kooperation statt Konkurrenz in der Industriepolitik

Die Industrie hat auch künftig eine Schlüsselfunktion für die wirtschaftliche Entwicklung der norddeutschen Bundesländer. Und wenn die fünf Landesregierungen gemeinsam die industriellen Wertschöpfungsketten fördern, erhält der gesamte Norden einen neuen Wachstumsmotor. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Hans Böckler Stiftung, in der detailliert die Potenziale für Beschäftigung und ökologische Modernisierung in der norddeutschen Industrie untersucht werden. Das Konzept wird heute auf einer industriepolitischen Konferenz in Hamburg vorgestellt und diskutiert.

In sieben Branchenanalysen stellt die Studie dar, welche Chancen es im Anlagenbau für die Windenergie, in der Luft- und Raumfahrtindustrie, im Schiffbau, in der Automobilindustrie, in der chemischen Industrie, in der Ernährungsindustrie, im Logistiksektor und in den Häfen gibt. Um diese Chancen zu nutzen, sind die norddeutschen Bundesländer gefordert, ihre Konkurrenzen zugunsten gemeinsamer industrieller Perspektiven aufzuheben. Die koordinierte politische Umsetzung der Energiewende mit weltweit gefragten Innovationen und Qualitätsprodukten ist ein wichtiger Prüfstein für eine nachhaltige industriepolitische Zusammenarbeit in Norddeutschland. Die Industriepolitik der Zukunft: Kooperation statt Konkurrenz.

In allen fünf norddeutschen Bundesländern sind direkt mehr als 900.000 Menschen in der Industrie sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Daneben sind in der angegliederten Dienstleistungsbranche Häfen und Logistik in Norddeutschland alleine rund 450.000 Menschen tätig. Die Studie plädiert für eine Politik, die die Industrie und Industriearbeitsplätze zu fairen und sicheren Bedingungen erhält und ausbaut. Im Rahmen des zweijährigen Projekts wurden Branchenanalysen für die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Schiffbauindustrie, die Ernährungsindustrie, die Chemie-, Pharma-, Kunststoffindustrie, die Windenergieindustrie, die Automobilindustrie und die Branchen Häfen und Logistik in Norddeutschland erstellt. Die Branchenstudien analysieren im Detail die Bedeutung der Industrie in Norddeutschland für die regionalen Arbeitsmärkte.

An der Erarbeitung der Ergebnisse und Empfehlungen waren Vertreter/innen aller norddeutschen Landesregierungen, der Gewerkschaften, der Betriebe und der Wissenschaft beteiligt. Die Studie kann Chancen wie Risiken praxisnah benennen: Im Rahmen des Projektes waren Branchenworkshops und Betriebsrätebefragungen durchgeführt worden, an denen sich Betriebsräte aus über 100 Betrieben in Norddeutschland beteiligt hatten.

Für jede der untersuchten Branchen werden in der Studie Ansatzpunkte für Innovation und ökologische Modernisierung identifiziert. Zu den wichtigen Innovationsprojekten gehören etwa die Ansätze für neue Mobilitätskonzepte und e-Mobilität, der Aufbau von Produktionsstrukturen für die Offshore-Windenergie in einer möglichst umfassenden Wertschöpfungskette und die Weiterentwicklung von Speichertechnologien im Kontext einer Wind-Wasserstoff-Wirtschaft. Die aktuellen Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende zeigen, dass die Politik gefordert ist, um in der Windenergiebranche kurzfristig drohende Auslastungsprobleme zu überbrücken. Nur so kann diese industrielle „Jahrhundertchance“ für Norddeutschland genutzt werden.

Die Studie analysiert die industriepolitischen Ansätze in den norddeutschen Ländern und fragt, welche Themen zukünftig von herausragender Bedeutung sind. Dabei stehen folgende Punkte im Vordergrund:

  • Energieversorgung, Energieeffizienz und die Ausgestaltung der Energiewende als industriepolitisches Projekt für Norddeutschland.
  • Verstärkte Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.
  • Förderung von einzelnen Modellprojekten wie z.B. die einer Wind-Wasserstoff-Region, der Ausbau der Offshore-Windenergie und Projekte zur Elektromobilität im Kontext neuer Mobilitätskonzepte

Der Norden steht dabei für höchste Qualität. Um die industrielle Dynamik mit einer nachhaltigen Industriepolitik in und für Norddeutschland zu schaffen, müssen drei Elemente die Antriebskraft liefern:

Maßnahmen zur ökologischen Modernisierung der Industrie

Die ökologische Modernisierung der Industrie bleibt eine wesentliche Forderung. Die norddeutschen Bundesländer haben hier die Möglichkeit, Impulsgeber zu sein durch Gestaltung von Rahmenbedingungen und Förderung einzelner Vorhaben. Zielkonflikte und Bewertungsprobleme zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen sind damit nicht aufgehoben - die Studie zeigt aber, dass angesichts der weltweiten Herausforderungen in den Feldern Energie und Mobilität ökologische Nachhaltigkeit und Exzellenz in der industriellen Produktion unabdingbar geworden sind.

Beschäftigungssicherung und Umsetzung Guter Arbeit in der Industrie

Ein Weg, der von den norddeutschen Bundesländern weiter gegangen werden sollte, ist die Koppelung der Kriterien für „Gute Arbeit“ mit Maßnahmen der Industrieförderung, um atypische Beschäftigung, prekäre Arbeitsbedingungen und niedrige Entlohnung in der Industrie einzudämmen. Dies ist die Voraussetzung um qualifizierte Beschäftigungsmöglichkeiten und Know-How in den Industriebereichen aufzubauen und zu erhalten. Dazu sollte die Erarbeitung einer gemeinsamen Fachkräftestrategie der fünf norddeutschen Bundesländer angestrebt werden.

Norddeutsche Kooperation

Wenn der Norden seine wirtschaftlichen Chancen nutzen will, sollten die norddeutschen Bundesländer in der Industriepolitik noch stärker zusammenarbeiten. Es gibt schon jetzt große thematische Überschneidungen und vielfach eine ähnliche Ausrichtung. Einer stärkeren Kooperation steht konzeptionell also nichts im Wege. Langfristiges Ziel sollte eine Überwindung der Ländergrenzen im Bereich der Industrieförderung und abgestimmte Industriepolitik aller fünf Bundesländer sein.

Für eine gemeinsame Industriepolitik sind die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen in Norddeutschland besser als je zuvor. Die Studie sieht die Verankerung von sozialen und ökologischen Zielen und die Notwendigkeit zur norddeutschen Kooperation als unbedingte Voraussetzung für eine zukunftsfähige und nachhaltige norddeutsche Industriepolitik.

Praktische Umsetzung

Als erste praktische Umsetzungsschritte für die Entwicklung einer gemeinsamen und nachhaltigen Industriepolitik in Norddeutschland werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Erarbeitung eines Maßnahmenplans der Länder für eine „Gemeinsame Norddeutsche Industriepolitik“.
  • Abstimmung eines gemeinsamen norddeutschen Fachkräftekonzeptes.
  • Einrichtung einer Task Force „Förderung der Industriellen Umsetzung der Energiewende in Norddeutschland“ und Abstimmung der Hafenentwicklungskonzepte, vor allem für den Bereich Offshore-Windenergie.
  • Weitere abgestimmte Integration von Förderkriterien für „Gute Arbeit“ in die Wirtschaftsförderung.
  • Unterstützung und Förderung von überbetrieblichen Branchenarbeitskreisen von Betriebsräten.
  • Prüfung gemeinsamer industriepolitischer Förderinitiativen und landesübergreifender Finanzierungsstrukturen unter Kooperation der regionalen Förderbanken (IFB Hamburg, IBSH, NBank, BAB, LFI-MV).
  • Die gemeinsame Förderung von Netzwerken zu branchenübergreifenden Themenfeldern, etwa bei Innovationsförderung, Forschung und Entwicklung und ökologisch nachhaltiger Modernisierung.
  • Gründung eines gemeinsamen Industrieforums Norddeutschland „Zukunft mit Industrie“ unter Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

Ausblick

Der DGB Nord wird die Ergebnisse der Studie auf regionalen Standort- und Branchenkonferenzen vorstellen und mit der Politik, Wirtschaftsförderern, Arbeitgebern, Betriebsräten und Wissenschaftlern beraten. Dabei wird es auch darauf ankommen, die Perspektiven herauszuarbeiten, die sich für den Norden aus der Verknüpfung von Industrie und Dienstleistungen ergeben. Eine starke Industrie und hochentwickelte Dienstleistungen bieten in ihrem Zusammenwirken und in der Integration in neuen Wertschöpfungsprozessen weitere Chancen für Wachstum und Beschäftigung. Diese zunehmende Verzahnung gehört zu den prägenden Merkmalen des fortschreitenden Strukturwandels und darf in Norddeutschland nicht verschlafen werden. Um diesen Wandel aktiv zu begleiten und die vorgeschlagenen Maßnahmen in allen fünf Bundesländern zu realisieren, muss der Staat aktiv und handlungsfähig sein. Der DGB Nord versteht sich hier in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung als Impulsgeber.

 


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