Der DGB Hamburg und seine Gewerkschaften lehnen die Wiedereinführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst ab. Eine entsprechende schriftliche Stellungnahme hat der DGB heute im Rahmen des beamtenrechtlichen Beteiligungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des öffentlichen Dienstes vor verfassungsfeindlichen Einflüssen abgegeben. Der Senat plant den Gesetzesentwurf zeitnah der Hamburgischen Bürgerschaft vorzulegen.
Der umstrittene Gesetzesentwurf sieht eine umfassende Wiedereinführung der umstrittenen Regelanfrage beim Verfassungsschutz für den Hamburgischen öffentlichen Dienst vor. Die Regelung soll für nahezu alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes anlässlich verschiedener Personalmaßnahmen gelten.
Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB-Hamburg kritisiert: „Selbstverständlich dürfen demokratiefeindliche, rassistische und antisemitische Positionen im öffentlichen Dienst keinen Platz haben. Die Regelanfrage ist für die Erreichung dieses legitimen Anliegens aber der falsche Weg. Wir haben deshalb dem Senat Gespräche über ein Gesamtkonzept angeboten. Diesem Vorschlag ist der Senat bisher nicht gefolgt. Im Rahmen dieses Gesamtkonzeptes wäre die Frage zu diskutieren, wie der öffentliche Dienst insgesamt resilienter gegen Verfassungsfeinde aufgestellt werden kann. Dabei sollen Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie des Bildungsurlaubs ebenso eine Rolle spielen wie die Gewährleistung demokratischer Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten für junge Menschen. Der Senat setzt stattdessen auf repressive Maßnahmen. Die Wiedereinführung der Regelanfrage für alle Statusgruppen und nahezu alle Bereiche des öffentlichen Dienstes geht erkennbar zu weit. Die Freie und Hansestadt läuft auf ein Szenario zu, in dem mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, um es mit den Worten von Helmut Schmidt (SPD) zu sagen, mit denen er sich vom Radikalenerlass 1978 distanzierte.“
Sandra Goldschmidt, Landesbezirksleiterin von ver.di Hamburg, ergänzt: betont: „Mit der Wiedereinführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz nimmt der Senat in Kauf, vor allem gesellschaftlich engagierte und kritische Menschen von einer Bewerbung im öffentlichen Dienst der FHH abzuschrecken. Ohne Not übernimmt Hamburg an dieser Stelle – wie schon bei der Einführung des Radikalenerlasses in den 1970er-Jahren – eine bundesweite Vorreiterrolle, die von Misstrauen und mangelnder Wertschätzung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geprägt ist. Einen solchen Generalverdacht gegen Bewerberinnen, Bewerber und damit insbesondere junge Menschen können wir nicht mittragen.“
Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg: „Die GEW lehnt den Gesetzesentwurf auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit dem Radikalenerlass und den Berufsverboten in den 1970er Jahren vehement ab. Es sei daran erinnert, dass der Radikalenerlass Mitte der 1990er Jahre vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für rechtswidrig erklärt wurde. Beim gegenwärtigen Vorhaben ist es für Betroffene überdies nahezu unmöglich, die Angaben des Verfassungsschutzes zu widerlegen. Betroffene müssen ohne Kenntnis etwaiger Quellen und Belege beweisen, dass etwas nicht stattgefunden hat, bzw. dass keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Gerichtlich können sie sich erst im Nachhinein mit hohem Aufwand gegen eine Nicht-Einstellung wehren.“
Horst Niens, Vorsitzender der GdP Hamburg, ergänzt: „Mit der Verschärfung des Disziplinarrechtes für die Beamtinnen und Beamten und der Wiedereinführung der Regelanfrage im Bereich der Polizei vor einigen Jahren hat Hamburg bereits weitgehende Maßnahmen gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst ergriffen. Die nun vorgesehene Wiedereinführung der Regelanfrage für alle (neuen) Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Hamburg – unabhängig von ihrem Status und ihrer künftigen Tätigkeit – geht allerdings nochmal darüber hinaus. Als GdP halten wir es für sinnvoll, Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte und Waffenträger besonders auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Warum das allerdings für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – jeden Hausmeister, jeden Gärtner und jede studentische Hilfskraft – gelten soll, erschließt sich uns nicht. Ein Eingriff in Grundrechte der Beschäftigten muss angemessen und verhältnismäßig sein.“
Die Stellungnahme des DGB findet sich unter: DGB zur Wiedereinführung der Regelanfrage