Scharfe Kritik übt Laura Pooth, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Nord, an den Plänen von CDU/CSU und SPD, das Arbeitszeitgesetz zu ändern und für Vollzeitbeschäftigte steuerliche Anreize für Überstunden einzuführen: „Die Pläne schaden nicht nur der Gesundheit der Beschäftigten, sie wären auch gleichstellungspolitisch ein großer Rückschritt.“
So würden mögliche steuerbefreite Überstunden in erster Linie von Männern geleistet werden, während Frauen einen größeren Anteil der Sorgearbeit übernehmen würden, so Pooth weiter. Schon jetzt sei es so, dass Männer deutlich mehr in Vollzeit arbeiten als Frauen, die häufiger Teilzeitjobs mit Sorgearbeit verknüpfen. In Schleswig-Holstein arbeiten 54,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Teilzeit, während es bei den Männern lediglich 15,1 Prozent sind. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil bei 50 Prozent der Männer und 15,3 Prozent der Frauen (Stichtag: September 2024, Bundesagentur für Arbeit).
Laura Pooth: „Wir dürfen diese ungerechte Aufteilung nicht noch weiter verstärken, sonst sind wir gleichstellungspolitisch bald wieder in den fünfziger Jahren angekommen. Stattdessen brauchen Frauen und Männer Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Dafür brauchen sie vor allem mehr Mitspracherechte, um ihre Arbeitszeiten entsprechend ihren Bedürfnissen anzupassen. Nur so wird es möglich, Erwerbstätigkeit und Sorgeaufgaben für die Familie partnerschaftlich aufzuteilen. Viele der rund 280.000 teilzeitbeschäftigten Frauen in Schleswig-Holstein und 146.000 in Mecklenburg-Vorpommern würden gerne mehr arbeiten, doch die Bedingungen passen nicht: Die 2019 eingeführte Brückenteilzeit mit ihrem Anspruch in Vollzeit zurückzukehren, gilt nur für größere Betriebe mit mehr als 45 Beschäftigten. Bis heute fehlt ein echtes Rückkehrrecht in die Vollzeit. Minijobs und das Ehegattensplitting schaffen zudem finanzielle Fehlanreize, die eine Ausweitung der Arbeitszeit vor allem für Frauen unattraktiv machen. Das passt nicht mehr in unsere Zeit.“
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat heute eine neue Analyse zu dem Thema veröffentlicht. Sie ist unter diesem Link zu finden: Sorgesensible und geschlechtergerechte Arbeitszeiten. Jetzt! - Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung
Der DGB Nord hatte in den vergangenen Monaten schon die Landesregierung in Schleswig-Holstein für ihre Initiative kritisiert, das Arbeitszeitgesetz aufweichen zu wollen.