Schwanger und tschüss!?
Gewinner 2023: Der Betriebsrat im Klinikum Karlsburg
Im Klinikum Karlsburg hat der Betriebsrat ein Projekt entwickelt, bei dem Kolleg*innen vor und nach der Geburt viel Unterstützung bekommen. Dafür wurde er jetzt mit dem Betriebs- und Personalrätepreis der Landesregierung ausgezeichnet.
„Auch Schwangere sind Fachkräfte, die es zu halten gilt“! Diese Feststellung stand am Anfang der Projektidee von Betriebsrätin Jana Reise und ihren Kolleg*innen. „Es kann doch nicht sein, das werdende Mütter direkt auf die Einbahnstraße Beschäftigungsverbot geschickt werden“, dachten sie sich.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht im Vordergrund
Sehr schnell fanden sich genug interessierte Kolleg*innen, die gemeinsam Ziele entwickelten:
- Schwangere Kolleg*innen frühzeitig über ihre Rechte aufklären,
- die Möglichkeit schaffen, dass sie weiterarbeiten können ohne Gefährdung, an einem geeigneten Arbeitsplatz,
- während der Elternzeit den Bezug zum Betrieb erhalten
- nach der Elternzeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess unterstützen und dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Blick zu haben.
Vom Beginn der Schwangerschaft bis zur Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit
Der Fokus liegt auf dem gesamten Prozess, von Beginn der Schwangerschaft bis zur Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nach der Elternzeit. Dazu zählt auch, junge Mütter nach der Elternzeit in ihrem Berufsfeld im Krankenhaus zu halten.
Ein Flyer wurde entwickelt zu Fragen wie, was muss ich bedenken, wenn ich schwanger bin, an wen muss ich welche Infos geben? Es werden Arbeitsmöglichkeiten für den Zeitraum der Schwangerschaft im Klinikum Karlsburg gesucht, aber auch über Kita-Plätze, Elternzeit, Finanzhilfen oder Beratungsstellen informiert.
Tandems mit Kolleg*innen
Eine andere Idee: Freiwillige Paten bilden Tandems mit Kolleginnen, die wegen ihrer Schwangerschaft ausscheiden. Sie informieren die abwesenden Kolleginnen, was in ihrer Abteilung und in der Klinik Neues passiert, geben Informationen zu Weiterbildungen und Veranstaltungen weiter und bauen so eine Brücke zur Rückkehr ins Arbeitsleben.
Auch der Wiedereinstieg nach der Elternzeit wurde in diesem Prozess mit entsprechend frühzeitigen Gesprächsangeboten geregelt, um die individuellen Belange der wiederkehrenden Eltern langfristig zu berücksichtigen.
Der Betriebsrat im Klinikum Karlsburg
Das Klinikum Karlsburg ist ein Fachkrankenhaus für Herz- und Stoffwechselerkrankungen in der Nähe von Greifswald. 550 Beschäftigte arbeiten hier. Der Betriebsrat ist ein 11er Gremium.
Aber auch an die Väter wird gedacht: So bekommen die Männer zum Beispiel ein Geschenk zur Geburt ihrer Kinder.
„Es ist gut zu sehen, wie wir mit unserer Projektgruppe auch die Grenzen zwischen den Abteilungen überwunden haben. Alle ziehen an einem Strang, weil es eine sinnvolle Sache ist und das Feedback toll ist.“, so Jana Reise.
„Wir setzen ein positives Zeichen"
Und so ganz nebenbei sorgen Jana Reise und ihre Kolleg*innen auch dafür, dass ihr Arbeitgeber an Attraktivität gewinnt. Stichworte: Familienfreundliche Unternehmenskultur, aber auch Gleichstellung. „Wir setzen ein positives Zeichen. Das kommt bei den Frauen an und die eine oder andere denkt dann vielleicht eher daran, bei uns in der Region zu bleiben, als den Arbeitsplatz zu wechseln. Und Schwangerschaft bedeutet eben auch nicht gleich: Schluss mit der Arbeit.“
Diesen positiven Effekt hat inzwischen auch der Arbeitgeber bemerkt. Jana Reise wünscht sich, dass die Akzeptanz für das Projekt bei der Geschäftsführung durch den Betriebsrätepreis noch mal steigt.
Ein Projekt mit Pioniercharakter
Denn das Projekt hat Pioniercharakter. Längst präsentieren es die Betriebsrät*innen anderen Gremien und Gewerkschaften. Sogar im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend waren sie, um es vorzustellen.
Die Kolleginnen und Kollegen vom Klinikum können stolz sein, was sie mit ihrem noch gar nicht so alten Projekt schon alles angestoßen haben. Den Betriebsrätepreis der Landesregierung haben sie sich absolut verdient.
Dran geblieben und belohnt worden
Gewinner 2023: Der Gesamtpersonalrat der Kreisverwaltung Nordwestmecklenburg
Manchmal dauern Dinge eben länger. Diese Erfahrung musste der Gesamtpersonalrat der Kreisverwaltung Nordwestmecklenburg machen, als es um eine Dienstvereinbarung zu Mobiler Arbeit ging. Doch statt irgendwann frustriert aufzugeben, blieben die Kolleg*innen dran – und waren doch noch erfolgreich. Auch für diese Beharrlichkeit haben sie jetzt den Betriebs-.und Personalrätepreis der Landesregierung überreicht bekommen.
„Sehr stolz“ sind Kevin Nehls als Vorsitzender und seine Kolleg*innen aus dem Gesamtpersonalrat (PR) über ihre Auszeichnung. Es ist der Lohn für Geduld und kontinuierliche Arbeit. Denn blickt man ein paar Jahre zurück, wäre es undenkbar gewesen, dass sie überhaupt eine Dienstvereinbarung (DV) abschließen hätten können.
Mitbestimmung? Fehlanzeige. Doch dann kam der Wechsel...
Unter der bis Juli 2021 amtierenden ehemaligen Landrätin wurden Anträge mehrmals abgelehnt. Es gab lediglich einen mit dem Gesamtpersonalrat nicht abgestimmten einseitigen „Leitfaden“, mit dem maximal fünf Prozent der Beschäftigten unter engen Voraussetzungen (Hauspflege von Angehörigen usw.) Telearbeit beantragen konnten.
Mitbestimmung? Fehlanzeige. Doch dem Gesamtpersonalrat spielte der Wechsel an der Spitze in die Karten: Mit dem neuen Landrat, der 2021 seinen Dienst begann, ging es endlich voran.
Bis zu der Hälfte der monatlichen Arbeitszeit kann jetzt mobil bestritten werden
Auf Augenhöhe gingen beide Seiten in die Erarbeitung einer Dienstvereinbarung. Was dem GPR von Beginn an wichtig war: Die Kolleg*innen sollten gut eingebunden sein. Deswegen wurde eine Beschäftigtenumfrage gestartet und die Ergebnisse als Grundlage für die Verhandlungen genommen.
Das Ergebnis der nun seit Oktober 2022 geltenden DV lässt sich sehen: Bis zu der Hälfte der monatlichen Arbeitszeit kann jetzt mobil bestritten werden, es gibt Regelungen zu Schulungen, Ausstattung, Beschwerde und Ablehnungsmanagement und einigem mehr.
Motiviert werden die nächsten Projekte angegangen
„Dass es geklappt hat und wir nun auch noch diesen Preis bekommen haben, spornt uns natürlich an. Es ist auch ein Zeichen für den Dienststellenleiter, dass das wahrgenommen wird und sich die gemeinsame Ausarbeitung von Dienstvereinbarungen lohnt,“ sagt Kevin Nehls.
Dementsprechend motiviert gehen sie jetzt ihre nächsten Projekte an: Eine neue DV zur Fortbildung, neue Regelungen zum Leistungsentgelt oder Ideen für das Stellenbesetzungsverfahren möchte das Gremium einbringen, genau wie die Frage, wie mit Gewalt am Arbeitsplatz umgegangen wird.
Transparenz ist wichtig: Die Beschäftigten sollen immer Bescheid wissen
Egal mit welchem Projekt sie gerade beschäftigt sind – eins ist ihnen immer wichtig: Transparenz. „Wir informieren unsere Kolleg*innen sehr regelmäßig und schreiben in unsere Peronalratsinformationen auch rein, wenn etwas nicht funktioniert hat. Die Beschäftigten sollen immer Bescheid wissen und mitbekommen, dass etwas passiert und warum.“
Mit diesem Ansatz zeigt der Gesamtpersonalrat, dass Mitbestimmung zwar auch harte Arbeit ist, aber eine die sich bezahlt macht zum Wohle aller Kolleg*innen.
Dafür haben sie sich ihren Preis absolut verdient.
11 Freunde für CHEPLAPHARM
Gewinner 2023: Der Betriebsrat der Firma Cheplafarm
Neustart: Trotz vieler Hürden und anfänglichem Misstrauen auf Seiten des Managements, schafften es die Kolleg*innen bei der CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH im Jahr 2022 eine Betriebsratswahl durchzuführen. Inzwischen ist das Gremium im Amt und konnte schon einiges erreichen. Um diese Leistungen zu würdigen, wurde der BR kürzlich von der Landesregierung mit dem Betriebs- und Personalrätepreis (Kategorie Neugründung) ausgezeichnet.
„Missverständnisse, Halbwissen, Misstrauen“. So beschreibt Betriebsrätin Katharina Hill das Klima zwischen den Kolleg*innen und der Arbeitgeberseite, als sie sich 2021 auf den Weg machten, ein Mitbestimmungsgremium im Unternehmen zu gründen.
"Natürlich waren die Arbeitgeber erstmal misstrauisch"
Zuvor hatte es zwar eine freie Mitarbeitervertretung gegeben, doch die hatte nicht die gewünschte Durchsetzungskraft und löste sich vor dem Hintergrund der Vorbereitung der Betriebsratswahl 2022 auf. Und dann kam Corona. So war es nicht leicht, die kleineren Initiativen im Betrieb zusammenzuführen, die Interesse an einer starken Mitarbeitervertretung hatten. Dazu kam der Argwohn auf Arbeitgeberseite.
„Cheplapharm gründete sich aus ursprünglich 2 Personen. Seitdem ist die Firma rasant auf rund 550 Beschäftigte angewachsen. Die Führungskräfte hatten kaum Vorgaben und haben die letzten 20 Jahre gemacht, was ihnen richtig erschien. Natürlich waren sie erstmal misstrauisch“, so Katharina Hill.
Rückhalt durch die Gewerkschaft hat nötige Sicherheit gegeben
Um all diese Hürden zu überwinden, brauchten die Kolleg*innen Unterstützung. Die bekamen sie von ihrer Gewerkschaft, der IG BCE, und dem DGB-Rechtsschutz. „Ohne die hätten wir es nicht geschafft. Wir hatten ursprünglich versucht, allein eine Mitarbeitervertretung zu gründen, wussten aber gar nicht, was wir genau machen müssen. Also haben wir uns Expert*innen rangeholt, die uns bei jedem Schritt Hilfestellung geben konnten.“
Auch, als gegenüber dem Arbeitgeber vor der Betriebsratswahl Dinge durchgesetzt werden mussten. „Da gab es natürlich auch Ängste, dass die uns platt machen, wenn wir mit der Betriebsratswahl jetzt aus der Deckung kommen. Aber der Rückhalt durch die Gewerkschaft und den Rechtsschutz hat uns die nötige Sicherheit gegeben.“
Verhältnis zur Geschäftsführung ist deutlich besser geworden
Als die Wahl endlich, und trotz riesiger Schwierigkeiten durch die Pandemie, durchgeführt werden konnte, machte die sehr hohe Wahlbeteiligung von rund 65 Prozent deutlich: Die Beschäftigten sehnen sich nach einer Arbeitnehmervertretung.
Inzwischen ist das gewählte Gremium ziemlich genau ein Jahr im Amt und es hat sich viel getan. Das Verhältnis zur Geschäftsführung ist deutlich besser geworden: „Wir arbeiten noch intensiv daran, Vertrauen aufzubauen. Aber wir merken auch, wir werden nicht mehr als Feind angesehen. Wir tauschen uns aus, wir hören uns zu. Das Verständnis wächst.“
"Die Kolleg*innen wissen, da ist jemand der uns zuhört"
Und die Kolleg*innen sind froh, dass es den Betriebsrat gibt. „Die wissen, da ist jemand, der uns zuhört und was tut für uns. Wir bekommen einen Haufen Aufträge, werden auch mal an der Kaffeemaschine abgefangen, wenn es dringenden Redebedarf gibt. Wir werden regelrecht angefeuert. Das motiviert uns natürlich ungemein“, berichtet Katharina.
Eines der ersten Projekte des Gremiums wurde die Umsetzung einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten, die von der Belegschaft sehr dankbar aufgenommen worden ist.
86 Prozent der Beschäftigten beteiligen sich an Befragung
Weitere Betriebsvereinbarungen sind geplant, z.B. zum Thema Arbeitszeit, Überstunden, Urlaubsgrundsätze und Schulungsanspruch der Mitarbeiter.
Einen Erfolg konnte der Betriebsrat mit einer firmenweiten Mitarbeiterumfrage erzielen, die er Ende 2022 gemeinsam mit der Geschäftsführung auf den Weg gebracht hatte und an der sich beachtliche 86 Prozent der Beschäftigten beteiligten.
Tolle Werbung für erfolgreiche Mitbestimmung
Mit der Betriebsratsgründung haben die Kolleg*innen schon jetzt viel für die Belegschaft getan. Hut ab, das ist tolle Werbung für erfolgreiche Mitbestimmung in Mecklenburg-Vorpommern!
Dafür sind sie völlig zu Recht ausgezeichnet worden.